„Ohne Gase geht es nicht – sie müssen nur erneuerbar sein“

Nachbericht zur 38. LDEW-Gastagung

Mainz, 13. Mai 2024 – „Wir werden sie brauchen“, versicherte Hessens Staatssekretärin Prof. Dr. Lamia Messari-Becker am Donnerstag, 25. April 2024, vor Vertretern der Energiewirtschaft auf der 38. LDEW-Fachtagung „Gas im veränderten Markt“, um ihre Aussage noch im selben Atemzug zu präzisieren: „Allerdings müssen Ihre Gase erneuerbar sein.“ Bei der komplexen Aufgabe, unser Versorgungssystem innerhalb der Energiewende zu transformieren, fuhr die erst kürzlich vereidigte Staatssekretärin des hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum fort, sei die Fokussierung allein auf Strom der falsche Weg. Vor allem, wenn wir mit Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit nicht gleich zwei der drei Eckpfeiler des energiepolitischen Dreiecks aufs Spiel setzen wollten.

Messari-Becker beschrieb Strom, Wärme und Treibstoffe als die Bausteine der Energiewende. Nach Überzeugung der Bauingenieurin und Wissenschaftlerin ist der Wärmemarkt dabei die Herausforderung für die Zukunft. Der Gebäudebestand sei viel zu heterogen, als dass die Energiewirtschaft hierzulande realistisch sagen könne, „hier ist die eine Lösung“. Vielmehr sollten in diesem Sektor alle Optionen in Bezug auf regenerative Energieformen – einschließlich Geothermie, die es zu skalieren gelte, und der „stiefmütterlich behandelten“ Solarthermie – technologieoffen in alle künftigen Planungen miteinbezogen werden. Ferner sei das Wasserstoffkernnetz ohne Verteilnetze für H2 insofern „nichts wert“, als es hier zentral darauf ankomme, Kunden und weitere potenzielle Abnehmer zu erschließen. Und die Erschließung der Verteilnetze bedeute Instandhaltung, Ertüchtigung und ihren Neubau.

Strategie ohne Zeitdruck – die Richtung stimmt

In seinem Referat im rheinland-pfälzischen Stromberg merkte Andrees Gentzsch an, dass wir uns inmitten eines politischen Erkenntnisprozesses befinden. Zuvor versäumte der BDEW-Hauptgeschäftsführer jedoch nicht, hervorzuheben, was der amtierenden Regierung in der Vergangenheit bereits alles gelungen sei: „Deutschland hat es geschafft, sowohl russisches Gas zu substituieren als auch die Gasversorgung „im Deutschlandtempo“ zu diversifizieren.“ Jetzt gelte es, drängende Fragen zu klären, was in Zukunft sinnvoll ist, welche Ziele wir realisieren können und wie wir in der Lage sein werden, künftige Lösungen auch zu bezahlen. „Dabei sind Zahlen wie das Jahr 2045 nicht so schrecklich wichtig“, relativierte Gentzsch. „Hauptsache, wir sind in die richtige Richtung unterwegs. Und das ist jetzt der Fall.“

Moleküle sind unverzichtbar

Übertriebene Eile der Politik ohne Einbeziehung der Verbände in der Legislative seien uns zunächst „auf die Füße gefallen“. In der Folge habe ein gewisser Lerneffekt seitens der Politik zu den Erkenntnissen geführt, dass der Kunde technologieoffen letzten Endes das bekommen sollte, was er will und bezahlen kann, wobei Gentzsch den Einsatz von „Wasserstoff in den Heizungskellern“ derzeit noch als äußerst schwierig betrachtet. Der ebenso wertvolle wie zunächst knappe Energieträger sollte Abnehmern zur Verfügung stehen, die ihn mit Blick auf Klimaneutralität dringend brauchen und zudem in der Lage sind, dafür zu zahlen. Der Industrie, aber auch den Kraftwerken zur Produktion von Strom.

In ihrem Bekenntnis zu H2 – siehe den Entwurf des H2-Beschleunigungsgesetzes – sei die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. „Es geht in erster Linie um Klimaneutralität, die Resilienz des Transformationspfades und ein bezahlbares Energiesystem“, hielt Gentzsch fest. „Dabei muss die Transformation natürlich auch für die Netzbetreiber bezahlbar sein. Und dafür sind Gase unverzichtbar. Auf dem Weg dahin müssen Wasserstoff – inklusive des Neubaus H2-fähiger Gaskraftwerke sowie ihrer Netze – und sonstige dekarbonisierte, klimaneutrale Gas zusammen gedacht werden.“

Podiumsdiskussion - „Gaspreise bestimmen nach wie vor die Strompreise“

Gleich zu Beginn der mit renommierten Vertretern aus Politik und Verbänden besetzten Podiumsdiskussion würdigte die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Katrin Eder zunächst die Leistungen der Gaswirtschaft in den Krisenjahren: „Auch dank Ihres umsichtigen Engagements konnte die Gasversorgungssicherheit in unserem Land gewährleistet werden.“

In der Folge beherrschten Themen wie die zentralen Belange der kommunalen Wärmeplanung, z. B. die Erhebung und Verfügbarkeit (bei Schornsteinfegern bereits vorhanden) der erforderlichen Datengrundlage und deren Bezahlbarkeit, sowie der H2-Hochlauf in Deutschland die angeregte Debatte. „Wir wissen nicht, was Wasserstoff in Zukunft kosten wird“, räumte Andrees Gentzsch ein. „Daher müssen wir den H2-Hochlauf hierzulande forcieren, um Skaleneffekte zu erzeugen, damit Wasserstoff bezahlbarer wird.“

Dem pflichtete Dr. Timm Kehler, Vorstand, Zukunft Gas, prinzipiell bei und ergänzte: „Wir leiden nicht an Energie-Knappheit, wir müssen „nur“ die Dekarbonisierung managen. Dabei bestimmen die Gaspreise nach wie vor die Strompreise. Und letztere, so viel steht fest, werden nicht billiger. Energie grundsätzlich wird nicht billiger. Dafür hat Energie in Zukunft“, hob Kehler hervor, „so haben wir es als Gesellschaft entschieden, eine neue, eine höhere Qualität – sie ist CO2-frei.“

Kommunale Wärmeplanung nicht der Schlüssel zu allen Problemen

John Werner, bei Zukunft Gas Leiter Unternehmensentwicklung & Strategie, riet Hauseigentümern im Rahmen der Diskussion, auf keinen Fall untätig abzuwarten, bis die Kommunen ihre Ergebnisse der kommunalen Wärmeplanung präsentieren. Wenn diese in ein paar Jahren fertig ist und dann die aus Sicht der Kommunen wirtschaftlichste Lösung darstellt, könnte es in einigen Fällen immer noch sein, dass das Ergebnis in der Konsequenz für einzelne Bürger nicht bezahlbar ist. Bürger sollten alles unternehmen, was in kleinen finanzierbaren Schritten Energie spart: Modernisierungen angehen, ihr Gebäude sanieren und die erneuerbaren Energien einbinden.

„Die kommunale Wärmeplanung ist nicht als der lang ersehnte Schlüssel zur Lösung all unserer Probleme zu verstehen“, konstatierte Gentzsch. „Sie wird lediglich Zahlen liefern und damit die Grundlage, individuell geeignete Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten. Und da wir in Zeiten des Umbruchs leben, die geprägt sind von sich ständig verändernden Parametern, geschieht dies in agilen Entwicklungsprozessen.“

„Green Paper“ - Zankapfel Stilllegung der Gasnetze

Wenn auch der gesamte Event in Stromberg von einem weitgehenden Konsens aller Teilnehmer in zentralen Fragen geprägt war – „die Energiewende kann nur technologieoffen, unterstützt durch eine sinnvolle Kombination aus „Elektronen und Molekülen“ gelingen –, trat an einer Stelle der Podiumsdiskussion doch eine leichte Kontroverse auf. Und die bezog sich auf das so genannte Green Paper des BMWK respektive unterschiedliche Deutungen seiner Ausrichtung. „Sollte der Transformationspfad des Green Papers – und so interpretiere ich ihn – auf die Stilllegung unserer bestehenden Gasnetz-Infrastruktur hinauslaufen“, warnte Kehler eindringlich, „führt dieser Schritt zum Untergang des Mittelstands in Deutschland.“

Knackpunkt dabei ist die Übersetzung des englischen Begriffs „decommissioning“ aus dem Inhalt des Green Papers, der maschinell von dem Online-Übersetzungsdienst DeepL tatsächlich mit „Stilllegung“ übersetzt wird. Dem entgegnete Gentzsch in der Runde: „Der Begriff bedeutet übersetzt nicht die Stilllegung, sondern eine „andere Nutzung“ der Gasverteilnetze. Das Wesen und die Kernaussage des Green Papers sollen Netzbetreibern vielmehr Rechtssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen für künftige Planungen und Investitionen liefern.“ Derweil fehlen allerdings, wie Kehler abschließend monierte, noch immer die entsprechenden Transformationspläne.

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